Karin Priester

I. eigentümlich frei über Karin Priester

Der folgende Artikel erschien zuerst in eigentümlich frei Nr. 129 (Jan./Feb. 2013)

Akademiker der Saison:

Karin Priester

Auf der langen Suche nach dem Populismus

von Henning Lindhoff

Frau Professor Karin Priester ist eine gescheite Frau. Sie lehrte von 1980 bis 2007 Politische Soziologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster. Seit vielen Jahren ist der politische Populismus ihr großes Thema. Zahlreiche Bücher und Aufsätze hat sie zu vermeintlich rechtspopulistischen Personen, Gruppen und Bewegungen verfasst.

In einem dieser Beiträge erwähnt sie in einem kurzen Absatz auch die Zeitschrift eigentümlich frei. Es geschieht dies im Artikel „Fließende Grenzen zwischen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Europa?“, den sie für die Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ verfasste. Und während etwas namhaftere Zeitgenossen an prominenterer Stelle eigentümlich frei etwa als „Periodikum der Ultraliberalen und Radikalmarktwirtschaftler“ (Michael Klonovsky im „Focus“) oder als „weder links noch rechts, sondern liberal“ (Hans-Olaf Henkel im „Handelsblatt“) würdigen, entdeckt unsere Kandidatin zum Akademiker der Saison in einem dialektischen Doppelschlag folgendes.

Erstens: „In Deutschland findet der minimalstaatliche Libertarismus ein Forum in der Zeitschrift eigentümlich frei, die sich als Marktplatz für Liberalismus, Anarchismus und Kapitalismus versteht. Ihre ideologischen Leitfiguren sind Murray Rothbard und die Philosophin Ayn Rand, die Eigennutz und Egoismus moralphilosophisch als Tugenden legitimiert. Ziel ist die staatlich ungehinderte Nutzenmaximierung. Das Grundübel sehen sie im Sozialdemokratismus, von dem auch die CDU unter dem Vorsitz von Angela Merkel befallen sei. Libertarier sind gegen die von den Grünen geschürte öko-alarmistische Klimaangst, gegen Feminismus und Genderterror, gegen die gutmenschlich auftretenden Kirchen, gegen die Diktatur der political correctness, gegen den Sozialstaat und den Gleichheitskult.“

Halbtreffer soweit. Und dann, potzblitz, zweitens jedoch: „Seit 2007 sucht der Herausgeber von eigentümlich frei, André Lichtschlag, auch die Nähe zum Rechtsextremismus. Neben dem NPD-Vorsitzenden Udo Voigt und dem Nationalanarchisten Peter Töpfer kam Angelika Willig, bis 2009 Chefredakteurin der Theoriezeitschrift der sächsischen NPD-Jugendorganisation und Vordenkerin eines grundsätzlichen Systemwechsels, zu Wort. Als ideologisches Bindeglied zwischen Libertarismus und Rechtsextremismus fungiert der Sozialdarwinismus als Ideologie der naturgewollten Überlegenheit der Starken gegenüber den Schwachen, der Elite gegenüber der Masse.“ (Zitat Ende, weiter geht’s mit Bemerkungen eines NPD-Mitglieds im unbestrittenen Neonazi-Portal „Altermedia“.)

Der bereits erwähnte Schriftsteller Michael Klonovsky kommentierte die kühne Anschuldigung im „Focus“ so: „Dass anno 2004 der NPD-Vorsitzende Udo Voigt im Heft interviewt worden war, soll als Sympathie-Beleg dienen. Wer dieser Logik folgte, müsste dann etwa auch die ‚Welt’ bei der Neuen Rechten unterbringen, denn dort erschien ein halbes Jahr später ebenfalls ein Gespräch mit Voigt. Im Übrigen ist das ef-Interview im höchsten Maße lesenswert, denn der Interviewer wirft dem NPD-Funktionär nicht wie üblich Nationalismus oder Rassismus vor, sondern dass er ein Sozialist sei. Überdies muss man wissen, dass Libertäre nicht nur an die uneingeschränkte Freiheit des Marktes, sondern auch des Wortes glauben und dass ihnen Tabus ebenso ungeläufig sind wie die Idee einer Kontaktschuld.“

Besonders gewagt ist Priesters „Beispiel“ aber auch deshalb, weil der NPD-Vorsitzende im betreffenden Interview die Zeitschrift eigentümlich frei explizit als „Hauptgegner“ adelt. Vermutlich würde Frau Professor auch eine handfeste Schlägerei als „Nähesuchen“ bezeichnen. Und eine kriegerische Auseinandersetzung als Paarbildung?

Ihr zweiter „Beleg“ heißt Angelika Willig und ist gleich noch etwas weiter hergeholt. Priester verschweigt nämlich, dass Willig, die 2003 und 2004 insgesamt zwei Artikel in ef (über Gentechnik und Sterbehilfe) publizierte, damals eine völlig unbekannte „Philosophin und freie Journalistin aus Berlin“ war und erst von 2008 bis 2009 die NPD-Zeitschrift leitete. (Abgesehen davon käme es selbst bei einer aktuellen NPD-Autorin redlicherweise darauf an, was die in der beanstandeten Zeitschrift schrieb, und nicht, wer das schrieb. Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet eine linke Professorin offenbar einem politischen Kastenwesen anhängt und wenig egalitär nach Personen statt nach Inhalten fahndet.)

Karin Priester scheint sagen zu wollen – wir erinnern uns: „Seit 2007 sucht Lichtschlag die Nähe zum Rechtsextremismus, so kam Angelika Willig, bis 2009 Chefredakteurin der Theoriezeitschrift der sächsischen NPD-Jugendorganisation, in ef zu Wort.“ –, Willig habe als NPD-Funktionärin Artikel in eigentümlich frei publiziert. Drückt sie sich nur schwer unglücklich aus? Oder steckt federleichte Absicht dahinter?

Schauen wir uns dazu ihren dritten und letzten „Beweis“ fürs Nähesuchen an. Er heißt Peter Töpfer. Der wurde ebenfalls nicht „nach 2007“, vielmehr bereits im Mai 2001 interviewt. Der bekennende Anarchist Töpfer äußerte sich gemeingefährlichst darin etwa so: „Ich glaube nicht an absolutistisch vorgetragene Konzepte.“ Ist der Gefahrensucher, der mit Anarcho-Flagge NPD-Aufmärsche beglückt, ein gefährlicher Nazi? Oder nicht vielmehr ein Politclown des „verrückten Randes“, als den ihn der ef-Herausgeber im entsprechenden Editorial auch vorstellte?

Was bleibt: Frau Professor Priester belegt das vermeintliche „Suchen nach Nähe zum Rechtsextremismus seit 2007“ – immerhin eine nicht ganz liebevolle Anschuldigung in diesen Tagen – mit an Marxens Barthaaren herbeigezogenen Beispielen aus den Jahren 2001 bis 2004. Jeder entsprechende Schulaufsatz wäre mangels zeitlicher Logik mit „ungenügend“ bewertet worden – jedenfalls vor dem Einzug der Kuschelpädagogik.

Wir aber fragen die Dame und uns: Wie geht Karin Priester bei ihren Recherchen vor? Hat sie vielleicht einfach nur im Internet nach kompromittierenden ef-Interviewpartnern und -Autoren gesucht? Hat sie überhaupt jemals eine Ausgabe von eigentümlich frei in der Hand gehalten? Oder hat sie mit der kurzen aber folgenschweren Erwähnung womöglich nur im Auftrag gehandelt?

Letzteres könnte aufgrund der vagen Qualität so scheinen, wird aber von Frau Professor Priester gegenüber eigentümlich frei abgestritten. In der direkten Kommunikation, das darf hier nicht verschwiegen werden, zeigt die ehrenwerte Dame durchaus einen feinen Sinn für Humor im Umgang mit einem Kompliment: „Dass sie mich als Fräulein Priester titulieren, habe ich von der sportlichen Seite genommen.“

War die ganze seltsame Anschuldigung also vielleicht nur eine kabarettistische Einlage? Das lokal übliche Frotzeln einer Priester-Thiele gegen die Börne-Adepten von ef? Wer so einen Tatort hat, muss sich über eine solche Professorin nicht wundern? Oder arbeitet Frau Professorin immer so?

Bereits im Jahr 1972 veröffentlichte Karin Priester ihre Dissertation über den italienischen Faschismus im Pahl-Rugenstein-Verlag aus Köln. Der wurde im Volksmund auch Pahl-Rubelstein-Verlag genannt, war er doch ein mit satten SED-Geldern unterhaltener Hausverlag der DKP. Wer damals nicht den Kommunisten zumindest nahestand, hätte kaum bei Rubelsteins veröffentlichen wollen. „Antifaschistin“ Karin Priester wollte.

Mit ihrer Dissertation unternahm sie nach Angaben ihres Verlags den Versuch, „auf die ursächlichen gesellschaftlichen Prozesse aufmerksam zu machen, denen Faschismus damals wie heute entsteigt“.

Eine solche Doktorarbeit soll aber damals wie heute den Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens in erhöhtem Maße Folge leisten. Geisteswissenschaftliches Arbeiten zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass zu Anfang eigene Thesen aufgestellt und im folgenden evaluiert werden. Dabei hat der forschende Autor auf vorhandenem Wissen aufzubauen. Ziel soll es sein, durch die Beweisführung beziehungsweise Entkräftung der aufgestellten Thesen zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Wendet man diese Regeln auf die Dissertation Priesters an, gelangt man zu einem eher ernüchternden Ergebnis. Ihr Werk ist eine etwas holprig erzählte Geschichte. Thesen der Autorin sind – jedenfalls für uns Bösemenschen – nicht erkennbar. Es gibt überhaupt kein Pro, kein Contra, keine Argumentation. Stattdessen eine Menge Text in launiger Erzählform. Sportlich eben. Frau Priester plaudert nach, was sie gelesen hat. Hoffen wir für sie, dass sie wenigstens die damaligen Vorlagen etwas aufmerksamer beäugt hat als später die Zeitschrift eigentümlich frei.

Rubelsteins blieb sie treu, den nach eigener Angabe jetzt „in Eigenregie“ handelnden Nachfolgern sogar bis heute. Noch immer nämlich publiziert sie mit Vorliebe in den lange rubelversorgten „Blättern für deutsche und internationale Politik“, die 1989 mangels jeder Kopeken beinahe hätten eingestellt werden müssen.

Mehr als 27 Jahre lang hat sich Frau Professorin an der Uni Münster und gar mehr als 40 Jahre in der Autorenriege Rubelsteins und Nachfolger halten können, dabei in der Themenwahl doch etwas monoton und mit einer leichten Chronologie-Schwäche. Wo blieb in all den Jahren die wissenschaftliche Neugier, wo der Forscher- und Pioniergeist? Im Münsteraner Karneval?

Hätte sich ein Naturwissenschaftler so lange an der Universität Münster gehalten, wenn er nur über einen solch, sagen wir, begrenzten Interessenshorizont verfügt hätte? Geht es am Ende gar nicht um die lustige Frau Priester, sondern um das ernsthafte Problem eines gesamten universitären Fachbereichs? Jener seltsamen Profession von Sozio- und Politologen also, deren wie Michael Klonovsky es ausdrückte, „wesentliche wissenschaftliche Leistung darin besteht, zu zitieren und das Zitierte dann ganz schlimm zu finden“?

II. Andere Stimmen über Karin Priester

Geistbraus am 17.12.2012

Im Blog „Negative Gnadeninfektion nach Karin Priester“ schreibt Martin Johannes Grannenfeld über die von Wikipedia gegen eigentümlich frei zitierte Professorin Karin Priester unter anderem: „Das Phänomen der perkutanen Gnadeninfektion ist in Geschichte und Gegenwart des Christentums allgegenwärtig. Karin Priester hingegen verfolgt – wie viele ihrer Kollegen – das Konzept der perkutanen Verdammnisinfektion. Das ist archaisch, aber leider nicht christlich. Denn Verdammnis wird gemäß kirchlicher Lehre nicht perkutan, sondern intrauterin übertragen, also: nicht durch Berührung, sondern durch Geburt. Ich kann den Sünder küssen und werde nicht sündhafter dadurch. Im Gegenteil, es ist mir sogar geboten, den Feind, den Irregeleiteten zu lieben – genauso wie ich seinen Irrtum hassen soll. Sünder werde ich dadurch nicht – ich bin es, weil ich Sohn Evas bin.“ – „Glücklicherweise weiß ich das. Sonst hätte ich nach Lektüre der Priester-Schrift durchaus Angst bekommen, mit Verdammnis infiziert zu sein. Denn, ich gebe es zu: Ich habe den Saum seines Gewandes berührt. Neulich. Auf dem Weihnachtsmarkt. Seine Glatze kam mir gleich verdächtig vor. Ich hätte mich rechtzeitig fernhalten können. Ich habe es nicht getan. Erst als wir zusammenstießen, habe ich die SS-Runen auf seiner Jacke gesehen. Aber da war es schon zu spät. Ich habe mich aber eigentlich schon viel früher infiziert. Ich gebe es zu. Ich habe nämlich eine Freundin, die aus Japan kommt. Da sie sich für Haruki Murakami begeistert, hat sie einmal in einem Internetforum über ihn gepostet. Im selben Internetforum hat gleichzeitig auch ein Kreisvorsitzender der SPD gepostet. Dieser Kreisvorsitzende hat 2004 an einer Diskussion teilgenommen, an der unter anderem auch ein Vertreter des rechten FDP-Flügels beteiligt war. Dieser FDP-Politiker hat einen Bruder, der mit der Tochter eines Industriellen verheiratet ist, welcher 1976 ein Bankett gegeben hat, an dem auch der Schwager eines bekannten peruanischen Holocaustleugners teilgenommen hat.“ – „Berührungsinfektionen sind tückisch. König Midas kann ein Lied davon singen. eigentümlich frei auch.“

Kritische Wissenschaft – critical science am 19.12.2012

Im Blog „Unsinn der Woche: Karin Priesters Gebrabbel“ schreibt Michael Klein über die von Wikipedia gegen eigentümlich frei zitierte Professorin Karin Priester unter anderem: „Sie sind ein… Populist! Antifeminist! Rechtspopulist! Libertärer! Ethno-nationalistischer Fremdenfeind! Rechtsextremist! Faschist! Neoliberaler! BUUH! Sind Sie jetzt erschreckt? Zusammengefahren? Fühlen Sie sich jetzt schlecht? Sind Sie am Ende in sich gekehrt und denken gerade darüber nach, was Sie in Ihrem Leben so alles falsch gemacht haben? Finden Sie sich nicht so recht wieder, in diesen Begriffen? Oder sind Sie am Ende jemand, der nicht an die Magie von Worten glaubt? Jemand, der nicht auf die affektive Konnotation reagiert, die mit Begriffen, wie den zitierten angesprochen werden soll, sondern der immer noch denkt, Begriffe seien erfunden worden, um Informationen zu transportieren und sich zu verständigen? Dann gehören Sie entweder nicht auf die linke Seite des politischen Spektrums, sind nicht modern oder sie hängen noch einer veralteten und vor-konstruktivistischen Kommunikationstheorie an. Das Problem, dass Begriffe Informationen transportieren sollen, kennt Karin Priester nicht. Für Priester sind Begriffe Vehikel, die das transportieren, was sie gerade fühlt beziehungsweise an affektiver Ladung über andere ausgießen will.“ – „Sie kennen Karin Priester nicht? Macht nichts. Ich kenne Karin Priester auch nicht. Dr. habil. Heike Diefenbach kennt sie nicht. Wir und fast alle die wir gefragt haben, hatten noch nie etwas von Karin Priester gehört. Aber Karin Priester scheint eine Anhängerschar in Wikipedia zu unterhalten, die immer wieder gerne auf einen Artikel zurückgreift, den Priester veröffentlicht hat und den man immer dann gebrauchen kann, wenn man BUUH machen und Leser mit Begriffen erschrecken will.“ – „Das Weltbild von Priester ist recht schlicht: Die entsprechenden Wähler sind entweder dumm oder sie werden verführt, nur eines sind die entsprechenden Wähler von Parteien, die Priester rechtsextrem oder rechtspopulistisch findet nicht, Individuen mit eigenem Willen, die Respekt verdienen.“ – „Nun, was macht man mit derartigem Unsinn, mit einer Rabulistik, die vor lauter ideologischer Selbstsucht nicht bemerkt, dass Ayn Rand zwar im Titel eines Buches vom virtue of selfishness schreibt, dass dahinter aber ein (moral)philosophisches Gebäude steht, das mit Sozialdarwinismus ungefähr soviel gemein hat, wie Karin Priester mit Anstand. Hätte Priester etwas gemein mit Anstand, sie hätte mehr als einen Buchtitel von Rand gelesen. Aber für ideologisch geschlossene, dogmatische Persönlichkeiten, wie Milton Rokeach derartige Persönlichkeiten genannt hat, geht es nicht darum, anderen gerecht zu werden, sondern ausschließlich darum, eine Folie zur Verbreitung der eigenen ideologischen Überzeugung zu finden und wie bei vielen Linken, so ist diese Folie bei Priester und in schöner verlogener Regelmäßigkeit die Folie der altruistischen guten Menschen, die sich voller Eigennutz um die Schwachen und Armen kümmern, um die Minderbemittelten, sofern diese nicht rechtsextrem wählen oder sind.“